Montag, 16. Mai 2022

Vernehmlassung zur Teilrevision des Volksschulgesetzes (VSG)

Sehr geehrter Herr Regierungsrat Stähli, Sehr geehrte Frau Dr. Grimaudo, Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben uns Gelegenheit geboten, eine Stellungnahme zur Vernehmlassungsvorlage "Teilrevision des Volksschulgesetzes" einzureichen. Gerne nehmen wir diese Möglichkeit wahr und geben folgende Stellungnahme ab:

Allgemeine Anmerkungen

Wir Grünliberale sind überzeugt, dass sich eine gute Qualität der Volksschule direkt und positiv auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft auswirkt. Eine solide und zugleich zukunftsorientierte Volksschulbildung, die sich agil stetig ändernden Rahmenbedingungen und neuen Forschungserkenntnissen anpassen kann, ist für die Schweiz eine unschätzbare und unverzichtbare Ressource. Deshalb unterstützen wir Grünliberalen auch die pädagogische und organisatorische Entwicklung, die unsere Schwyzer Volksschulen durch die Einführung des Lehrplans 21 sowie die geleiteten Volksschulen (GELVOS) in den letzten Jahren durchlaufen hat und in der sie sich mit der Implementierung des Integrativen Unterrichts immer noch befindet. Die gesetzlichen Anpassungen, die mit der vorliegenden Teilrevision des Volksschulgesetzes vorgenommen werden, unterstützen wir deshalb in weiten Teilen.

 

Folgende Punkte sind uns Grünliberalen positiv aufgefallen:

 

  • Die geleiteten Volksschulen Schwyz (GELVOS) haben aus unserer Sicht zu einer Professionalisierung der Volksschule beigetragen. Die Kompetenzaufteilung zwischen Schulträger und Schulleitung, die im vorliegenden Gesetzesentwurf vorgeschlagen wird, ist unseres Erachtens begrüssenswert.

 

  • In verschiedenen Paragraphen zeigt sich, dass neu Schulentwicklung eine Selbstverständlichkeit ist und dass das Amt für Volksschulen und Sport seine Aufgabe diesbezüglich weniger in einer kontrollierenden, defizitorientierten Aufsicht als vielmehr in einer unterstützenden, entwicklungsfokussierten Begleitung der Schulen sieht. Auch wir sind überzeugt, dass Qualitätsentwicklung in einer wohlwollenden und kooperativen Atmosphäre geprägt von klarer und offener Kommunikation besser gelingt.

 

  • Das VSG ist im Gegensatz zu anderen Texten aus der Feder der kantonalen Verwaltung weitestgehend in geschlechtergerechter Sprache verfasst. Das freut uns sehr! Wo es noch nicht der Fall ist, bitten wir um geschlechtergerechte Umformulierung.

 

Dennoch möchten wir darauf hinweisen, dass diese Teilrevision nicht mehr als ein Meilenstein für die Entwicklung der Schwyzer Volksschule sein kann. Wir sehen für die Zukunft weiteren dringenden Entwicklungsbedarf in folgenden Bereichen:

 

  • In der Bildungsstrategie 2025 legt der Kanton Schwyz „Integration vor Separation“ fest. Gegenwärtig gibt es allerdings Diagnosen (z.B. gewisse Verhaltensauffälligkeiten wie schweres ADHS), welche ein integratives Setting nicht zulassen, selbst wenn es finanziell günstiger und für alle Beteiligten idealer wäre. Hier besteht dringender Bedarf, die Vorgaben zu überarbeiten und geeignete Bildungskonzepte für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf zu erarbeiten.

 

  • Wirklich Integrativen Unterricht haben wir zudem erst, wenn personelle und finanzielle Ressourcen der schulischen Heilpädagogik nicht primär für Schülerinnen und Schüler mit Einschränkungen gesprochen werden können, sondern wenn auch Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen und Hochbegabung von Lektionen mit heilpädagogischen Fachpersonen bzw. von Lehrpersonen mit einer Zusatzausbildung in Begabungs- und Begabtenförderung profitieren dürfen.
    Aus Sicht der Grünliberalen hat die Förderung von Begabungen einen grossen Stellenwert. Wir sind überzeugt, dass die Veränderung unserer Gesellschaft und Wirtschaft hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft nur möglich wird mit ausserordentlicher technischer Innovation und grossem persönlichem Einsatz von Menschen, die früh geübt haben, viel zu leisten, kreativ zu denken und für ihre Überzeugungen einzustehen. Dass frühere Einschulung und Überspringen von Klassen eine geeignete Fördermassnahme darstellen, stellen wir in Frage, da Hochbegabung nicht zwingend mit persönlicher Reife Hand in Hand geht.
    Im vorgeschlagenen revidierten Gesetzestext werden leider lektionenmässig höherdotierte sonderpädagogische Massnahmen durch (heil-)pädagogische Spezialistinnen und Spezialisten nur für leistungsschwache oder beeinträchtigte Schülerinnen und Schüler festgelegt im Gegensatz zum Verständnis von Integrativem Unterricht, das an Fachhochschulen für Heilpädagogik gelebt und gelehrt wird. Wir wünschen mit Nachdruck, dass das Sonderpädagogische Konzept des Kantons Schwyz überarbeitet wird, sodass Integrativer Unterricht Kinder an beiden Rändern des Leistungsspektrums einschliessen kann.

 

  • Ebenfalls ein wichtiges Anliegen, ist eine qualitative Aufwertung des Unterrichtes für Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Gerne sähen wir Grünliberalen, wenn DaZ nur noch von Lehrpersonen unterrichtet werden dürfte, welche eine entsprechende Zusatzausbildung haben bzw. anstreben. Analog zu Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen könnte auch hier der Erziehungsrat Unterrichtsbewilligungen auf zwei Jahre hinaus ohne Ausbildung erteilen, sofern in dieser Zeit die Ausbildung in Angriff genommen wird. Wir Grünliberalen sind überzeugt, dass eine spezifische Ausbildung der Lehrperson die Zeitspanne verkürzt, in welcher Kinder auf DAZ angewiesen sind. Für kleine Gemeinden könnten sich Kooperationen mit Nachbargemeinden lohnen.

 

  • Dtenschutz spielt sowohl im gegenwärtig gültigen als auch im revidierten Volksschulgesetz eine Rolle (§ 10b bzw. 10a). Es ist unbestritten, dass Daten von Schülerinnen und Schüler sensible Daten sind. Deshalb muss beim Schutz dieser Daten besonders vorsichtig agiert werden. Das respektieren beide Versionen des Volksschulgesetzes, jedoch aus unserer Sicht nicht umfassend genug. Wir sind zwar der Ansicht, dass Datensicherheit und Datenschutz in anderen, übergeordneten Gesetzen bereits genügend reglementiert wären. Wir wünschen uns trotzdem im Volksschulgesetzt eine Verankerung der Datenschutzregeln.
    Mit grosser Sorge beobachten wir nämlich, wie unbedarft an unseren Schwyzer Schulen und in deren Umfeld trotzdem unsichere Programme und Apps verwendet werden. Wir Grünliberalen fordern daher das Amt für Volksschule und Bildung dazu auf, geeignete Richtlinien aufzustellen, welche nicht nur Schulleitungen und Lehrpersonen für Unterricht und Administration bei der Auswahl von sicherer Datenaufbewahrung, Software und Apps als Orientierung dienen, sondern auch Schülerinnen und Schüler und Eltern für ihre schulbezogenen Chats.

 

Antrag zu den einzelnen Paragraphen

 

VSG § 2

Wir Grünliberalen stehen ein für eine klare Trennung von Staat und Kirche. Deshalb beantragen wir, dass die religiös-weltanschauliche Neutralität, die im revidierten Abs. 1 als Grundsatz festgelegt wird, durch die Streichung von „christlich“ auch tatsächlich umgesetzt wird.

Beantragte Formulierung Abs. 1:
Die öffentliche Volksschule ist politisch und religiös-weltanschaulich neutral. Sie orientiert sich bei der Erziehung und Bildung an humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen.

VSG § 7 

Beantragte geschlechtergerechte Umformulierung Abs. 3:
Für auswärtigen Schulbesuch ist ein Schulgeld zu entrichten Das Schulgeld wird mit Beginn jedes neuen Schuljahres neu festgesetzt und entspricht den durchschnittlichen Kosten pro Schülerin bzw. Schüler gemäss Gemeindefinanzstatistik des Vorjahres abzüglich Abschreibungen, Zinsen und Beitrag an Lehrerpersonenbesoldung.

 

VSG § 9

Dass ständige Weiterentwicklung der Schule neu ein konkreter Auftrag des Schulträgers ist, begrüssen die Grünliberalen.

 

VSG § 10

Dass das Amt für Volksschulen im revidierten Abs. 2 seinen Fokus bei der Beaufsichtigung von Schulen weg von der Beurteilung und hin zur Unterstützung richtet, scheint uns Grünliberalen ein Paradigmenwechsel, den wir unterstützen. Wir glauben, dass Qualitätsentwicklung besser funktioniert in einem Umfeld, das entwicklungs- und nicht defizitorientiert ist.

 

VSG § 10 a

Im Umgang mit Daten ist für die glp wichtig, dass mit den Daten nicht nur im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz sorgfältig umgegangen wird, sondern dass auch jegliche Massnahmen ergriffen werden, damit diese Daten technisch sicher aufbewahrt werden. Es ist grundlegend falsch, dass im vorliegenden Änderungsvorschlag der Datenschutz nur auf eine potentielle Datenplattform bezogen ist. Wir fordern deshalb eine Ausweitung auf den Umgang mit Daten ganz generell.

 

Beantragte Umformulierung Abs. 3:
Das zuständige Departement erlässt die technischen und organisatorischen Vorschriften für die Datenbearbeitung, die Datenaufbewahrung und den Datenaustausch innerhalb und zwischen den zuständigen Behörden und Stellen unter der Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Grundsätze.

 

VSG § 14 c) Kleinklasse

Beantragte geschlechtergerechte Umformulierung Abs. 1:
Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen können in besonderen Klassen mit kleinerer Lerngruppengrösse unterrichtet werden.

 

VSG § 18

Die Grünliberalen befürworten, dass Begabungen von Kindern in schulischen Fächern nicht erst nach einer schulpsychologischen Diagnose gezielt gefördert werden dürfen, sondern bereits bei diesbezüglicher Einigkeit von Lehrpersonen und Erziehungsberechtigten.

Wir erachten es jedoch als problematisch, Begabungen im sportlichen oder musischen Bereich im gleichen Paragraphen abzuhandeln wie Hochbegabung. Letztere ist eine schulpsychologische Diagnose, während erstere durch Sportvereine, Trainerinnen und Trainer oder Musiklehrpersonen eingeschätzt werden. Vom organisatorischen Standpunkt her macht § 18 Sinn, vom pädagogischen Standpunkt her bezweifeln wir dies jedoch.

Die Grünliberalen fordern, dass Hochbegabtenförderung ein integraler Bestandteil der Integrativen Förderung wird und unter sonderpädagogischen Massnahmen auch für hochbegabte Schülerinnen und Schüler Stunden mit heilpädagogische Fachpersonen mit einem Ausbildungsschwerpunkt auf Hochbegabung resp. Lehrpersonen mit eine CAS Begabungs- und Begabtenförderung gesprochen werden könnten. Hierzu soll eine entsprechende Anpassung des Sonderpädagogischen Konzepts des Kantons Schwyz gemacht werden und auf Gesetzesebene verankert werden.

 

VSG § 19

Da der Gegenvorschlag zur Kinderbetreuungsinitiative im Kantonsrat deutlich mit fakultativem Referendum angenommen wurde, dieses vermutlich nicht ergriffen wird, muss hier für ein verpflichtendes Angebot von Tagestrukturen lediglich noch darauf Bezug genommen werden.

 

VSG § 34b

Die Grünliberalen sehen nicht ein, weshalb die medizinischen Daten nur gelöscht werden, wenn sie den Erziehungsberechtigten nicht ausgehändigt werden können.

Unser Antrag auf Umformulierung von Abs. 2 lautet:
Die medizinischen Daten werden nach Ende der obligatorischen Schulpflicht den Erziehungsberechtigten ausgehändigt und anschliessend vernichtet. Ist eine Aushändigung an die Erziehungsberechtigten nicht möglich, werden die medizinischen Daten ebenfalls vernichtet.

 

VSG § 52

Beantragte geschlechtergerechte Umformulierung Abs. 3:
„Zwischen dem zuständigen Departement und Vertretungen der Lehrpersonenorganisationen finden regelmässige Gespräche statt.“

 

VSG § 63

Beantragte geschlechtergerechte Umformulierung Abs. 3:
„[...] k) Entscheid über Transport und Verpflegung von Schülerinnen und Schülern sowie schulergänzende Angebote; [...]“

 

VSG § 68

Beantragte geschlechtergerechte Umformulierung Abs. 2:
„[...] b) Festlegung der Anzahl Klassen und Stellen für Lehrpersonen; [...]“

 

Die Grünliberalen unterstützen die vorgeschlagene Teilrevision Volksschulgesetzes (VSG) mit konkreten Änderungsanträgen bezüglich weltanschaulicher Neutralität, Handhabung von Daten und geschlechtergerechter Formulierung und mehrere Anregungen zur weiteren Entwicklungsrichtung der Schwyzer Volksschule im Bereich Integrative Förderung (Hochbegabung als Teil der Sonderpädagogik) und Deutsch als Zweitsprache (DAZ).

Wir danken Ihnen für die Kenntnisnahme unserer Stellungnahme und ersuchen Sie höflich unsere Anregungen und Vorschläge zu berücksichtigen.